Mit Stolz verkündeten SPD, CDU, Grüne und FDP in dieser Woche einen Gesetzentwurf, der die Finanzierung mutmaßlich verfassungsfeindlicher Mitarbeiter von Abgeordneten und Fraktionen unterbinden soll. Es ist ein politisches Novum. Der Landtag von Rheinland-Pfalz will sich als erstes Landesparlament Deutschlands die Möglichkeit schaffen, vermeintlich extremistische Mitarbeiter auszuschließen – das Vorhaben zielt offensichtlich auf die AfD.
„Ein starkes Zeichen des Parlaments für eine wehrhafte Demokratie“, jubelten die Parlamentarischen Geschäftsführer Marcus Klein (CDU), Carl-Bernhard von Heusinger (Grüne), Marco Weber (FDP) und Martin Haller (SPD). Wer das Parlament als „Herzkammer der Demokratie“ verachte, dürfe dort nicht auf Staatskosten arbeiten. Künftig soll die „parlamentsspezifische Zuverlässigkeit“ von Fraktions- und Abgeordnetenmitarbeitern geprüft werden. Dafür sollen Bundeszentralregister, Landeskriminalamt und auch der Verfassungsschutz herangezogen werden. Die Entscheidung, ob eine Bezahlung erfolgt, treffe dann allein der Landtagspräsident. Der Gesetzentwurf soll voraussichtlich am 11. oder 12. Juni in den Landtag eingebracht werden.
Das dazugehörige Gutachten des Wissenschaftliche Dienstes des Landtags kommt zu dem Schluß, ein Ausschluß verfassungsfeindlicher Mitarbeiter von staatlicher Finanzierung sei „verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig“. Voraussetzung seien eine gesetzliche Grundlage, eine einzelfallbezogene Prüfung und die Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Die Juristen des Landtags stützen sich auf drei zentrale Argumente, um die Verfassungsmäßigkeit ihres Vorschlags zu untermauern.
Gutachten begründet verfassungsrechtliche Zulässigkeit
Die Gutachter stellen die Abwägung verfassungsrechtlicher Positionen in den Mittelpunkt. Das freie Mandat – zentral für den Parlamentarismus – stehe unter Schutz, könne jedoch eingeschränkt werden, wenn gleichrangige Verfassungsgüter dem entgegenstehen. Der Schutz der Funktionsfähigkeit des Parlaments sei ein solches Gut. Insbesondere bei extremistischen Bestrebungen dürfe der Staat Maßnahmen ergreifen, um diesen Schutz zu gewährleisten, ohne das Mandat selbst anzugreifen.
Fraktions- und Abgeordnetenmitarbeiter seien keine gewöhnlichen Beschäftigten, betonen die Juristen. Aufgrund ihres Zugangs zu internen Abläufen, vertraulichen Informationen und politischer Steuerungsarbeit bestehe ein Interesse an ihrer Verfassungstreue. Diese dürfe geprüft werden, sofern eine hinreichende gesetzliche Grundlage vorhanden ist. Genannt wird unter anderem eine Regelanfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz. Laut Eckpunktepapier sollen zudem bestimmte sicherheitsrelevante Umstände als Regelbeispiele gelten: etwa Mitgliedschaft in verbotenen Organisationen oder Verurteilungen wegen Staatsschutzdelikten. Auch wer der Datenerhebung zur Prüfung seiner Zuverlässigkeit nicht zustimmt, gilt als ungeeignet. Die Überprüfung soll alle zwei Jahre erfolgen.
Schließlich betonen die Gutachter, daß kein generelles Beschäftigungsverbot ausgesprochen werde. Abgeordnete könnten weiterhin frei über ihr Personal entscheiden, jedoch entfalle bei bestimmten Personen der Anspruch auf staatliche Finanzierung. Dies sei nicht mit einem Berufsverbot gleichzusetzen, sondern stelle einen verhältnismäßigen Eingriff in die staatliche Mittelvergabe dar, der das Mandat selbst unberührt lasse. Gegen einen Ausschluß ist zwar formal ein Widerspruch möglich – dieser hat jedoch keine aufschiebende Wirkung. Für betroffene Mitarbeiter entfiele die Vergütung – faktisch bliebe ihnen der Wechsel in das Ehrenamt.
Staatsrechtler warnt vor Umgehung des Parteienprivilegs
Für den renommierte Staatsrechtler Dietrich Murswiek ist diese Konstruktion nicht haltbar. Gegenüber dem Cicero warnt er vor einem administrativen Einschreiten gegen diese Partei. Mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei es, „die zum Ausschluß der Bezahlung führende Verfassungsfeindlichkeit eines Mitarbeiters daraus abzuleiten, daß er Mitglied derjenigen Partei oder der Jugendorganisation dieser Partei ist, welcher der Abgeordnete angehört, für den er arbeitet“.
Das Vorgehen könne dann gegen das Parteienprivileg nach Artikel 21 des Grundgesetzes verstoßen. Besonders empörend findet Murswiek die Einschätzung des Gutachtens, es handele sich nur um eine milde Maßnahme, da Betroffene ehrenamtlich tätig sein könnten. Das sei, so der Jurist, „zynisch und geradezu höhnisch“.
Auch die AfD kritisierte den Gesetzentwurf und sprach von „totalitären Methoden“. Weiter: „Die Angst muß groß sein bei der SPD“, heißt es von der Bundespartei auf X. „Umso mehr freuen wir uns auf die anstehenden Wahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg im Frühjahr kommenden Jahres!“
+++ Totalitäre Methoden: SPD will Mitarbeitern in AfD-Fraktionen keine Gehälter mehr zahlen! +++
Um die nahende Regierungsbeteiligung der AfD doch noch irgendwie zu verhindern, geben sich die etablierten Parteien erfinderisch: In Rheinland-Pfalz will man nun Angestellten der… pic.twitter.com/mbBHhJhOy6
— AfD (@AfD) June 4, 2025
Äußergewöhnlich ist, daß der Landtag seine Entscheidung an Informationen jener Exekutivbehörde knüpft, die er kontrollieren soll. Wer vom – dem Innenministerium unterstellten – Verfassungsschutz als „verfassungsfeindlich“ eingestuft wird, könnte die faktische Arbeitsmöglichkeit im Parlament verlieren. Grundsätzlich soll jeder Einzelfall im Dertail geprüft werden. Denn: Die reine „Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei“ könne zwar ein wichtiges Indiz liefern, sei allein aber nicht ausschlaggebend.
Weiter schreiben die Gutachter:
„So kann bei einer Mitgliedschaft in einer von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossenen Partei unter Umständen schon eine (wiederholte) Teilnahme an internen Veranstaltungen zur Begründung der Unzuverlässigkeit ausreichen, während eine Mitgliedschaft in einer (lediglich) als Verdachtsfall eingestuften Vereinigung wohl selbst bei einer Ausübung von Leitungsfunktionen (noch) nicht genügen dürfte.“
Staatlicher Kampf gegen die Opposition wird zur Norm
Wie anders das auch gehen kann, zeigt ein ähnliches, aber gegensätzlich bewertetes Gutachten aus Bayern. Dort wurde eine allgemeine „Extremismusklausel“ für Fraktionen geprüft – und verworfen. Der Entzug staatlicher Finanzierung sei verfassungswidrig. Fraktionen seien Bestandteil des Parlaments und dürften nicht wie externe Fördernehmer behandelt werden. Ein solcher Schritt komme einem faktischen Parteiverbot gleich – und überschreite damit eine verfassungsrechtliche Grenze.
Genau in diesem Sinne hatte auch Staatsrechtler Murswiek gewarnt: Wer Fraktionen durch finanzielle Einschränkungen – wie in Rheinland-Pfalz – strukturell behindere, greife in das Parteienprivileg ein und versuche auf indirektem Weg, das Parteienverbot zu umgehen. Die bayerische Idee wurde vorerst verworfen.
In Rheinland-Pfalz dagegen ist der Apparat in Bewegung. Nicht nur, weil SPD, CDU, Grüne und FDP Einigkeit demonstrieren wollen. Sondern auch, weil die juristische Schwelle bereits gesenkt worden ist. Im vergangenen Jahr entschied der Verfassungsgerichtshof des Landes, daß die damalige Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) das Neutralitätsgebot brechen dürfe – sofern es dem „Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ diene. Dreyer hatte die AfD auf offiziellen Kanälen als „rechtsextreme Verfassungsfeinde“ beschimpft. Die Richter gaben einer Beschwerde der AfD zwar inhaltlich recht, wiesen sie aber mit dem Hinweis auf ein höherwertiges Verfassungsgut ab.
RICHTIGSTELLUNG: In einer ersten Version dieses Textes hieß es, der Staatsrechtler Dietrich Murswiek habe von einem „Parteiverbot durch die Hintertür“ und einem „Angriff auf das Parteienprivileg“ gesprochen. Diese Zitate sind so nicht gefallen. Wir haben die entsprechenden Passagen geändert und bitten um Entschuldigung.